Sie fliegen über Bundeswehrstandorten und über Anlagen der kritischen Infrastruktur. Doch was machen sie dort und von wem werden sie gesteuert? Darüber gibt es nur Mutmaßungen. Fragen und Antworten zu den Drohnensichtungen in Deutschland.
Wo wurden in den vergangenen Monaten Drohnen gesichtet?
Drohnen wurden zum Beispiel über dem Fliegerhorst im oberbayerischen Manching gesichtet. Dort flogen im Januar gleich zehn Drohnen gleichzeitig über das Gelände. Drohnenflüge gab es aber auch auch über dem Gelände der Wettiner-Kaserne im sächsischen Frankenberg, Heimat der Panzergrenadierbrigade 37. Im Januar machten Vorfälle über dem Fliegerhorst in Schwesing in Schleswig-Holstein, auf dem ukrainische Soldaten am Patriot-Flugabwehrsystem ausgebildet werden, Schlagzeilen. Marinestützpunkte, Häfen und Chemieparks in Nord- und Ostdeutschland werden auch mithilfe von Drohnen ausgespäht. Klar ist: Die Drohnensichtungen nehmen seit dem vergangenen Jahr massiv zu.
Was sind das für Drohnen?
Manchmal sind es handelsübliche Quadrocopter mit Kameras. Diese werden von Piloten in der Nähe gesteuert. Oft sind es aber auch professionellere, größere Drohnen mit Spannweiten von drei bis sechs Metern. „Diese werden wahrscheinlich von Schiffen in Ost- oder Nordsee losgeschickt“, sagt Drohnenexpertin Ulrike Franke in einem Interview für die taz.
Wer steckt hinter den Drohnenflügen?
Trotz verschiedener Maßnahmen vor Ort (elektronische Störmaßnahmen, Helikoptereinsatz, polizeiliche Ermittlungen) konnte noch bei keiner Drohne festgestellt werden, woher sie kam und von wem sie gesteuert wurde. Experten gehen aber davon aus, dass die Drohnen von russischen Akteuren betrieben werden. Zum Beispiel von Agenten, die in der Nähe der Ziele ihre Quadrocopter und Kleindrohnen losschicken, oder von russischen Schiffen auf See.
Was bezwecken die Täter?
Wahrscheinlich sind es mehrere Ziele: Beim Ausspähen des Patriot-Standorts in Schwesing könnten zum Beispiel die Handydaten der ukrainischen Soldaten ausgespäht worden sein, um sie später im Kriegsgebiet orten zu können. Die Flüge über Anlagen der kritischen Infrastruktur könnten den Sinn haben, zu sehen, welche Pforte und welcher Zaun wie bewacht wird und wer wann die Anlage betritt. Die Flüge könnten aber auch das Ziel haben, die Menschen in Deutschland zu verunsichern. Die Verunsicherung der Bevölkerung ist Teil der hybriden Kriegsführung. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass die Abwehrbereitschaft der deutschen Sicherheitsakteure getestet werden soll: Wie lange dauert es, bis sie die Drohne erkennen? Wie reagieren die Sicherheitsbehörden dann? Funktionieren ihre Abwehrmaßnahmen?
Welche Reaktionsmöglichkeiten haben die Sicherheitsbehörden in Deutschland?
Die Reaktionsmöglichkeiten sind eingeschränkt. Das fängt schon bei den Kompetenzen an. Außerhalb des Luftraums über Bundeswehrstandorten ist die Polizei für die Aufklärung und Abwehr der Drohnen zuständig. Bundeswehr und Polizei müssen also gut zusammenarbeiten – das klappt nicht immer. Doch selbst wenn die Polizei rechtzeitig von den Soldaten des Standorts gerufen wird und mit ihren Abwehrmaßnahmen schnell vor Ort ist: Bisher sind alle Versuche, die Drohnen mit elektronischen Maßnahmen zu stören, fehlgeschlagen. In Schwesing haben Bundeswehrsoldaten versucht, mit dem Störsender HP-47 und dem Detektionsgerät Wingman die Drohnen über ihrem Luftraum zu vertreiben und deren Bediener dingfest zu machen. Ohne Erfolg. Das weist darauf hin, dass dort spezielle, gegen Abwehrmaßnahmen gehärtete Drohnen eingesetzt wurden. In Manching wurde sogar ein Helikopter losgeschickt, um die Drohnen zu verfolgen. Auch vergebens.
Warum werden die Drohnen nicht einfach abgeschossen?
Abschießen darf weder die Polizei noch die Bundeswehr die Drohnen – zu groß ist die Gefahr, dass das Flugobjekt beim Absturz jemanden verletzt oder etwas – etwa ein Haus oder ein Auto – beschädigt wird. Es wird zwar ein Gesetzentwurf diskutiert, der der Bundeswehr erlauben würde, Drohnen über ihren Standorten abzuschießen – aber nur, wenn die Drohnen eine konkrete Gefahr für die Soldaten oder wichtige Infrastruktur darstellen. Das war bei den bisherigen Drohnensichtungen nicht der Fall, sie haben die Anlagen ja „nur“ ausgekundschaftet. Es bleibt also nur, die technischen Störmaßnahmen bei Bundeswehr und Polizei zu verbessern und die polizeilichen Ermittlungen zu stärken.